Trotz des anders belegten Datum am 11.11.2023 hat auch in diesem Jahr der NABU Fröndenberg zusammen mit der Biostation die Feuchtbereiche auf der Kiebitzwiese von aufkommendem Erlenjungwuchs befreit. In Teilbereichen sollen aufwachsende Erlen daran gehindert werden, allzu schnell die offenen Uferbereiche und Wasserflächen zu beschatten. Zum Wohle der dort nahrungssuchenden Limikolen und brütender Enten.
ErlenstecherInnen nach getaner Arbeit am Heckrindunterstand, 11.11.2023 Foto: Hermann Knüwer
Am 22.05.2023 öffnete der Himmel über Westfalen zum zweiten Mal binnen zwei Wochen kräftig seine Schotten. Zwischen 17.00 und 20.00 Uhr regnete es Bindfäden. Innerhalb kürzester Zeit stand auf verdichteten Flächen zentimeterweise das Wasser, floss gen nächster Kanalisation ab und brachte diese an ihre Grenzen. Um 19.45 Uhr hatte die Lippe unter der B233 zwischen Werne und Bergkamen beträchtlich an Wassermassen gewonnen (ca. einen Meter war am Folgetag die Ufervegetation mit Schlamm bedeckt) und die Horne war ein tosender, schlammiger Zufluss. Auch auf noch wassergesättigten Flächen innerhalb der Lippeaue staute sich weiter/kurzweilig das Wasser. Die Böden konnten die Wassermengen innerhalb dieser kurzen Zeitspanne nicht so schnell aufnehmen. Die vom Deutschen Wetterdienst an der Messstation Lüdinghausen prognostizierten 4 Millimeter spiegelten das lokale Starkregenereignis kaum wider.
Lippe zwischen Werne und Bergkamen-Rünthe, im Hintergrund strömt die Horne in die Lippe
Noch heftiger traf es den Süden des Kreises Unna: über 50 mm Niederschlag in kürzester Zeit ließen vor allem in Fröndenberg Kanäle, Gräben und Bäche überquellen. Viele Flächen wurden überflutet. Die Naturschutzgebiete nahmen auch hier große Wassermassen auf.
Solche Szenarien werden durch den Klimawandel vermehrt auf uns zukommen. Es lässt sich nur erahnen, wie Bodenorganismen bzw. Arten, die im oder auf dem Boden gerade reproduzieren, mit diesen extremen Bedingungen zurecht kommen. Wir sind z.B. sehr gespannt, ob die Kiebitze, die in den Rieselfeldern Werne eine Zweitbrut an einem Flachufer versuchten, ihr Gelege verloren haben oder noch trocken auf den Eiern sitzen. Auch in den Fließgewässern stellen diese Abflussereignisse zu dieser Jahreszeit Extreme dar und beeinträchtigen die Lebensgemeinschaften.
Die Naturschutzgebiete im Kreis sind andererseits bereits jetzt wichtige Retentionsräume für solche Starkregenereignisse und können Hochwasserspitzen abpuffern. Zur Anpassung an Klimawandelfolgen bieten sich diese Gebiete an, um kurzzeitig Wassermassen zurückzuhalten. Langfristig kann hier durch naturnahe Rückhaltungen und Wiedervernässungen, die die Aufnahmekapazität des Bodens verbessern, natürlicher Hochwasserschutz betrieben werden.
Im Südkreis, wie hier in Fröndenberg, waren alle Gewässer maximal ausgelastet und es kam örtlich zu starken Überschwemmungen Foto: Gregor Zosel – Kiebitzwiese Fröndenberg
Helferinnen und Helfer beim gemeinsamen späten Frühstück am Heckrindunterstand, 12.11.2022 Foto: Hermann Knüwer
Inzwischen im 10. Jahr organisiert Gregor Zosel für den Naturschutz im NSG Kiebitzwiese das Erlenziehen und Rohrkolbenstechen. Und mit anhaltendem Engagement trafen sich auch am 12.11.2022 wieder über 20 UnterstützerInnen im NSG, um aufkommende Erlen zu entfernen, Kopfweiden zu stutzen und Brombeeren zurückzuschneiden. Beim anschließenden späten Frühstück galt der Dank der Biostation allen HelferInnen, die zum größten Teil bereits seit Jahren teilnehmen.
Der Ehrenvorsitzende des Arbeitskreises Umwelt und Heimat Lünen Manfred Scholz hat am 28.10.2022 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen.
In einer Feierstunde auf Haus Opherdicke überreichte Landrat Mario Löhr stellvertretend für den Bundespräsidenten die Auszeichnung und würdigte die Verdienste und das jahrzehntelange Engagement für den Naturschutz und die Heimatpflege.
Manfred Scholz hat auch die Biostation in den letzten drei Jahrzehnten mit großer Unterstützung begleitet und gefördert. Zahlreiche Projekte und Exkursionen im Lünener Raum haben wir gemeinsam mit ihm und dem Arbeitskreis durchgeführt und dabei sehr von seiner Fachkenntnis und seiner Vernetzung im Raum profitiert. Durch seine wertschätzende und humorvolle Art haben wir uns auch in Lünen immer zuhause gefühlt:
Herzlichen Glückwunsch Manfred und alles Gute auch von der Biostation!
Baugrube des Fischpasses und der Restwasserschnecke (im Vordergrund unten links) sowie des naturnahen Umgehungsgerinnes (Hintergrund rechts) Foto: Ingenieur-Büro Wolfgang Klein Wasserwirtschaft – Gewässerökologie
Die Baumaßnahmen der Stadtwerke Fröndenberg zur ökologischen Durchgängigkeit der Ruhr im Naturschutzgebiet Kiebitzwiese in Fröndenberg sind in vollem Gange.
Während das naturnahe Umgehungsgewässer auf der Heckrind-Beweidungsfläche nahezu vollständig fertiggestellt worden ist, konzentrieren sich die Arbeiten derzeit auf die Fischtreppe (Fischpass) am Wehr Schwitten. Diese ist notwendig, um im Anschluss an das naturnahe Umgehungsgewässer den Höhenunterschied zwischen der aufgestauten Ruhr und dem Unterwasser unterhalb des Wehres weiter abzubauen. Ohne Fischpass wäre der Einschnitt eines naturnahen Gerinnes an dieser Stelle zu tief auszugestalten gewesen.
Die Bauarbeiten werden über das Jahr 2022 noch anhalten. Baubedingte Einschränkungen auf den Wegen lassen sich leider nicht vermeiden.
Es ist ein Jahr des großen Umbruchs bei uns in der Biostation. 28 Jahre lang haben Klaus Klinger und Anke Bienengräber die Biostation aufgebaut und ihr ein Gesicht gegeben. Beide auf ihre Weise:
Klaus als Chef und Organisator, der alle Fäden in der Hand hält, der mit Geschick und Entschlossenheit Politik und Verwaltung von unserer Biostationsarbeit überzeugt. Der eine besondere Leidenschaft für die Heckrind-Beweidungsprojekte an den Tag legt, die ihm so schnell keine Ruhe lässt, der mit einer ausgeklügelten Dokumentenablage, bei der (fast) jeder freie Zentimeter seines Schreibtischs belegt ist, den Überblick behält und der in guten wie in weniger guten Zeiten einen idealistischen und engagierten Haufen zusammenhält und für alle stets ein offenes Ohr und einen herzlichen und weitsichtigen Rat hat.
Anke, die immer und zu jeder Zeit ansprechbar und erreichbar ist und allen (besorgten Ehrenamtlern, hilfesuchenden Jungkollegen, aufgebrachten Landwirten, die an Verwaltungsgrenzen stoßen, und natürlich ihren Kindern und Enkelkindern) mit Rat und Tat zur Seite steht, die das Unmögliche möglich macht und die überall im Kreis Unna durch ihr unermüdliches Engagement für den Naturschutz, ihren unermesslichen Wissensschatz und ihre grauweiße Lockenmähne bekannt ist.
Wir können uns noch gar nicht vorstellen, wie es ohne die beiden wird! Die Biostation, das waren immer auch Klaus und Anke. Wie bei Eltern, die nach dem Heranwachsen ihrer Kinder wieder mehr Zeit für sich haben, werden auch die beiden – Anke in ihrem Heimatdorf Hemmerde, Klaus in seiner zweiten Heimat Hirschberg und in seiner ersten Heimat Würzburg (oder war es umgekehrt ;)) – nun Zeit dafür haben, eine Welt außerhalb der Biostation zu erkunden und zu gestalten. Schwer wird es ihnen nicht fallen, denn ein Stillstand ist der Ruhestand bei keinem der beiden. Und sicher werden wir und andere langjährige Weggefährten den beiden das eine oder andere Mal wieder hier auf der Station, bei einem Pflegeeinsatz, dem Aufbau eines Heckrindgatters, einer Exkursion oder einem Hoffest begegnen. Nach so vielen Jahren einfach still, fast heimlich, zu verschwinden, das wird dem Werk der beiden nicht gerecht. Alle, die gerne mit uns den Abschied von den beiden und damit auch 28 Jahre Biostation gefeiert hätten, möchten wir an dieser Stelle aber noch um etwas Geduld bitten. Sobald wieder mit vielen Menschen (vielleicht sogar ohne Maske) gefeiert werden darf, holen wir die Abschiedsfeier für unsere beiden langjährigsten und bekanntesten Mitarbeiter nach!
Der Leiter der Biologischen Station Kreis Unna | Dortmund, Klaus Klinger (rechts) und seine Stellvertreterin, Anke Bienengräber (zweite von links), verabschieden sich nach 28 Jahren in den Ruhestand. Die Leitung übernimmt Dr. Anne-Kathrin Happe (zweite von rechts), die Stellvertretung Birgit Stephan (links). Foto: Biologische Station Kreis Unna | Dortmund
Die Neuen
Dr. Anne-Kathrin Happe ist zu Beginn dieses Jahres in große Fußstapfen getreten: Sie übernimmt die wissenschaftliche Leitung und Geschäftsführung der Biostation vom langjährigen Leiter und Mann der ersten Stunde, Klaus Klinger. Anne ist 33 Jahre alt und ist direkt am Rand des Naturschutzgebiets Uelzener Heide / Mühlhauser Mark in Unna aufgewachsen. Sie hat in Göttingen Biodiversität mit Schwerpunkt Agrarökologie studiert und anschließend an der TU Darmstadt promoviert. Ihre Doktorarbeit hat sie zur Nützlingsförderung im Obstbau in Europa geschrieben und hat dazu die Wirkung von Agrarumweltmaßnahmen auf die biologische Schädlingskontrolle in Apfelanlagen am Bodensee untersucht. Im Anschluss war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven tätig. Zuletzt hat sie als Naturschutzreferentin im Referat Flächenschutz der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg den landesweiten Biotopverbund, Großschutzgebiete und die Erstellung der landesweiten Streuobstkulisse betreut. Wir sind überzeugt, mit Anne eine würdige Nachfolgerin für unseren bisherigen Leiter gefunden zu haben.
Birgit Stephan übernimmt ab März für Anke Bienengräber die Betreuung von Schutzgebieten im Kreis Unna, die Vertragsnaturschutzberatung und die stellvertretende Leitung der Station. Mit ihr kommt ein neues Gesicht in die Station, das manch einem bekannt vorkommen wird, denn Birgit war bereits vor einigen Jahren als Schwangerschaftsvertretung bei uns tätig. Inzwischen hat sie über viele Jahre in einem Planungsbüro im Münsterland und in der Biostation Coesfeld Naturschutzmaßnahmen und Projekte umgesetzt sowie Kartierungen durchgeführt. Bei uns wird Birgit auch in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Entwicklung von Forschungsprojekten mitwirken. Birgit ist 56 Jahre alt und kommt aus dem Norden von Münster. Sie hat in Münster Landschaftsökologie mit Schwerpunkt Botanik studiert und ist begeisterte Vegetationskundlerin und Hobbyfotografin.
Wir freuen uns, dass Anne und Birgit mit im Boot sind, und heißen sie ganz herzlich bei uns im Biostations-Team willkommen!
Frühjahrsaspekt im Eichen-Hainbuchenwald mit Einblütigem Perlgras (Melica uniflora) auf der FNW-Fläche „Kurler Busch – West“
Der Rat der Stadt Dortmund reagiert auf die sich ändernden Umweltbedingungen und hat am 17.02.2022 für den etwa 2.500 ha umfassenden Dortmunder Stadtwald die Erarbeitung eines „ganzheitlichen, ökologischen Waldkonzeptes“ beschlossen!
Zukünftig wird so die „Schutzfunktion (Klimaschutz, Luftreinhaltung, Wasserhaushalt, CO2-Speicherung, Artenvielfalt/Artenschutz und Bodenfruchtbarkeit)“ des Waldes im Vordergrund stehen. Die Artenvielfalt wird durch eine Habitatbaumkartierung im Vorfeld von Hiebmaßnahmen und die Ausweitung der bestehenden, forstwirtschaftlich nutzungsfreien Waldflächen zur natürlichen Waldentwicklung („FNW“) von derzeit etwa 5% auf bis zu 30%, gestärkt.
Wir freuen uns, unseren Teil zur Erarbeitung des Waldkonzeptes beitragen zu können!
Raupeneinsatz als gezielte Störung zur Schaffung von Rohbodenflächen
Der Holzplatz Bönen und die ehemalige Kokskohlenhalde in Kamen-Heeren-Werve sind als ehemalige Bergbaustandorte die Heimat zahlreicher Pionierarten. Die Blauflügelige Sandschrecke und das Kleine Filzkraut haben auf der Halde seit Jahren stabile Populationen, die Kreuzkröte besiedelt von hier die angrenzenden Feuchtlebensräume.
Allerdings fühlt sich auch die Birke hier richtig wohl – ihr gelingt es innerhalb weniger Jahre, die ehemals offenen Schotterflächen vollständig zu erobern und zu beschatten.
Im Abstand einiger Jahre wird zum Schutz der Pionierarten deshalb das Gebiet von der Biologischen Station entbuscht und der Oberboden abgeschoben. Dies ist notwendig, um die verbleibenden Birkenstubben weitgehend zu entfernen, die ansonsten vielstämmig wiederaustreiben und einen noch dichteren Schattenwurf verursachen würden.
Frisch entbuschter Bereich vor der Abschiebung
Nachdem im Januar von der Biostation die Birken entfernt worden waren, hat bei frostigen Temperaturen die Fa. Schnepper im Auftrag des Kreises Unna die Fläche mit einer Planierraupe abgeschoben. Für die sonnen- und wärmeliebenden Pionierarten aber auch für die Birke heißt das “zurück auf Start”.
Dichter Birkenbewuchs vor der Rodung auf dem Holzplatz Bönen
107 Jahre zählten der älteste Teilnehmer und die jüngste Teilnehmerin zusammen beim gemeinsamen jährlichen Arbeitseinsatz von AGON Schwerte und der Biostation im Naturschutzgebiet Ebberg. Nach coronabedingter Pause 2021 war es am 05.02.2022 mit Abstand wieder soweit: Mit Freischneidern, Motorsägen und Rechen wurden die verschiedenen Steinbruchsohlen entbuscht und entkuselt, um den Lebensraum von Pionierpflanzen und lichtliebenden Tierarten zu erhalten. Mittendrin die von der AGON liebevoll und reichhaltig ausgestatte Stärkungspause. Besten Dank an die AGON – die jüngste Teilnehmerin war übrigens 20 . . .
Von der AGON bestens versorgt: die gemeinsame Pause im Steinbruch
Spätestens seit dem Jahr 2019 ist auch im Kreis Unna der Biber zurück an Lippe und Ruhr. Nachdem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Möhne die letzten Vorkommen Westfalens ausgerottet wurden, vollzieht sich ausgehend von Eifel und Niederrhein seit dem Jahrtausendwechsel eine zügige Wiederbesiedlung des Landes.
Um der genauen Verbreitung und der Populationsstruktur der Biber auf den Grund zu gehen, werden im Rahmen eines Werkvertrages von Fachgutachterin Anja Roy im Frühjahr 2022 die Biber in den beiden großen Flussläufen im Kreisgebiet noch einmal eingehender untersucht.
Bereits fortgeschritten verwester Biber am Ruhrufer in Fröndenberg, 17.11.2021 Foto: Hermann Knüwer
Inzwischen sind bereits zweimal tote Biber aus der Ruhr geborgen und in das Naturkundemuseum in Münster überstellt worden. Zu einem am 17.11.2021 gefundenen toten Tier schreibt das Naturkundemuseum
Leider war das Tier schon in einem fortgeschrittenen Zustand der Verwesung, sodass sich die Haut nicht mehr für die Herstellung eines Präparates eignete. Zur Todesursache: Als das Tier für die Herstellung eines Skelettes abgezogen und entfleischt wurde, stellte sich heraus, dass sich im Brustkorb eine große Menge Flüssigkeit gemischt mit Blut befand. Außerdem waren zwei Rippen im vorderen Bereich glatt durchtrennt. Zusammen mit der Wunde an der Schnauze, gehen wir davon aus, dass das Tier bei Revierstreitigkeiten mit einem Artgenossen tödlich verwundet wurde und ertrunken ist, da die Rippen weder gequetscht, noch gesplittert waren, wie es sich sonst bei einem Verkehrsunfall oder einem Hundeangriff darstellt. Außerdem waren keine weiteren großflächigen Blutergüsse oder Knochenbrüche feststellbar.
Auch dieser akribisch erhobene Befund deutet darauf hin, dass sich in der Ruhr wieder eine arttypisch interagierende Population entwickelt.