NSG Holzplatz bei Bönen


NSG Holzplatz bei Bönen

NSG Holzplatz bei Bönen

In Zeiten veränderter gesellschaftlicher Prioritätensetzungen und damit verbundener Diskussionen über die Verteilung von Geldmitteln geraten auch oder gerade Ziele und Maßnahmen des Naturschutzes in eine – inhaltlich begrüßenswerte – Debatte um ihre Sinnhaftigkeit und Finanzierbarkeit. Im Zuge dieser schon seit einigen Jahren geführten Diskussion, die einen parallel ablaufenden Paradigmenwechsel im Naturschutz (statische/dynamische Konzepte, Integration / Segregation, Kulturlandschaft / Naturlandschaft usw.) begleitet und auch angeschoben hat, sind zahlreiche Pflegekonzepte und -modelle aus der “frühen Epoche” des Naturschutzes (den “goldenen” 1980er Jahren) in die Kritik geraten: ersatzlose Streichung, völlige Veränderung oder doch zumindest weitgehende Modifizierung lautet in der Regel das Urteil über die zumeist eigene Vergangenheit. NSG ‘Holzplatz’ bei Bönen NSG ‘Holzplatz’ bei Bönen

Das Naturschutzgebiet “Holzplatz Bönen” zwischen Bönen und Kamen-Heeren-Werve lässt sich exemplarisch für die jüngere Geschichte des Naturschutzes und den Wandel von Einschätzungen und Zielen des Naturschutzes im Kreis Unna heranziehen: Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts diente der Platz – erschlossen durch Gleistrassen, Kranbahnen und Teerstraßen zur Lagerung von Grubenhölzern und Gerätschaften (HAMANN & CONZE 1989, KÖHLER mdl.).

artenreiche, krautige Flora auf Rohböden

Pioniervegetation auf Bergematerial und Schutt

Nach der abschnittsweisen Nutzungsaufgabe durch den Bergbau Anfang der 1980er Jahre blieb die Fläche zunächst weitgehend der Sukzession überlassen. Mit der fortschreitenden Besiedlung der altlastenverdächtigen Fläche wurde die Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz durch den engagierten nicht amtlichen Naturschutz vor Ort erkannt und dokumentiert: Durch den Strukturreichtum dieser in einem frühen Sukzessionsstadium befindlichen ehemaligen Grubenholzlagerstätte und zahlreiche, offenbar mit dem Grubenholz eingebrachte Pflanzen und Tiere waren die hier anzutreffenden Artenzahlen – auch aufgrund der sehr sachkundigen und gründlichen Untersuchungen – im Vergleich zum Rest des Kreises exorbitant hoch: Mit ca. 600 nachgewiesenen Gefäßpflanzenarten und bedeutenden Vorkommen an Schmetterlingen, Heuschrecken, Amphibien und Vögeln (HAMANN ; CONZE 1989, LOOS 1992, KÜHNAPFEL 1993, LOOS mdl.) wurde die Fläche als das “bei weitem artenreichste räumlich abgeschlossene Gebiet im gesamten Kreis Unna und wohl auch darüber hinaus im gesamten Ruhrgebiet” (LOOS 1992) eingeschätzt.

Mit Hilfe engagierter, nicht amtlicher Naturschützer und des Kreises Unna wurde der Platz aus diesem Grund in der euphorischen Naturschutzphase der 1980er und 1990er Jahre als Naturschutzgebiet geplant und 1995 ausgewiesen. Erstmals in NRW und damit wohl auch in ganz Deutschland wurde eine Zechen(Industrie)brache, ein Lebensraum der eine maximale Überformung der Naturlandschaft über sich hatte ergehen lassen, wenige Jahre nach Aufgabe der Nutzung als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Da bereits vor der Unterschutzstellung allen Beteiligten das Problem der Sukzession klar vor Augen stand, wurde ein kleinteiliger Pflege- und Entwicklungsplan (HAMANN & CONZE 1989) zum Erhalt der artenreichen frühen Sukzessionsstadien erarbeitet und in modifizierter Form per Landschaftsplan festgeschrieben. Durch eingreifende Pflege sollten die seltenen Trockenrasen- und Pionierstadien vor der Verbuschung geschützt und die Artenvielfalt erhalten und gesteigert werden.

Pflege- und Entwicklungsplan

Pflege- und Entwicklungsplan

Detailliert und kleinflächig regelte dieser Plan die Mahd, die Entbuschung und die Bodenverwundung der Bereiche, schlug die Anlage von Kleingewässern, Steinhaufen und Kiesinseln vor.

Mit den knapper werdenden öffentlichen Geldmitteln und der Hinwendung des Naturschutzes zum “Prozessschutz” geriet der Pflege- und Entwicklungsplan und auch die Schutzgebietsausweisung an sich bereits Mitte der 1990er Jahre in die Kritik: als “Biotopgärtnerei denn als Naturschutz” wurde die Quadratmeter genaue, statische Pflege klassifiziert, die Schutzgebietsausweisung als “kein generelles Rezept für den Umgang mit Industriebrachen” eingeschätzt (REBELE & DETTMAR 1996). Stattdessen wurden Konzepte empfohlen, die die Erhaltung und Gestaltung des Stadt-Landschaftsbildes und die Erholungsvorsorge miteinbeziehen und die Dynamik und Sukzession der Brachevegetation zulassen.

Pflege- und Entwicklungsplan

Angeregt durch die Kritik überprüfte die Biologische Station in Zusammenarbeit mit dem Kreis Unna die bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Pflegemaßnahmen. Zusätzlich untersuchte eine Diplomarbeit die Effizienz der eingesetzten Naturschutz-Maßnahmen (TRANTER 1999). Die Ergebnisse flossen in die Modifizierung des Pflegekonzeptes durch die Biologische Station und den Kreis Unna ein:

Pflege- und Entwicklungsplan

Pflege- und Entwicklungsplan

Als Schutzziel wird an dem Schwerpunkt des konservierenden Arten- und Biotopschutzes festgehalten. Dies ergibt sich aus der herausragenden Sonderstellung des Holzplatzes Bönen für den Kreis Unna und darüber hinaus für Nordrhein-Westfalen mit einigen landesweit bedeutenden Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten (vgl. LOOS 1992, SCZEPANSKI 2002). Insbesondere mit Blick auf die geringe Flächengröße (< 10 ha) des Kernbereiches (Holzlagerplatz) fehlt es dem Naturschutz an der nötigen Flächenausstattung, um großflächig verschiedene Ziel- und Schwerpunktsetzungen in einem zeitlichen und räumlichen Mosaik zu verfolgen.

Der konservierende Arten- und Biotopschutz zielt vor allem auf den Erhalt früher Sukzessionsstadien und konkurrenzschwacher Artengemeinschaften. Dies setzt bodenverwundende Prozesse oder wiederkehrende Pflegeeingriffe voraus. Am Standort sind keine natürliche Dynamik bzw. keine natürlichen Prozesse in dieser Form vorhanden oder “herstellbar”. Anthropogen erzeugter Dynamik in Form von Feuer, Bodenverletzungen durch Kettenfahrzeuge (Bundeswehr), Motorsport (Moto-Cross) oder einer zeitweiligen Nutzung als Park- oder Lagerplatz verschließt sich der Kreis Unna vor allem aufgrund der Schutzgebietsausweisung.

Zur Erreichung des Schutzzieles sind daher auch weiterhin in regelmäßigen Abständen Entbuschung und Bodenverwundung, auf Teilflächen auch Mahd durchzuführen. Das sehr kleinräumige, “biotopgärtnerische” Vorgehen des Pflege- und Entwicklungsplanes bzw. des Landschaftsplanes wird allerdings zugunsten einer (im Hinblick auf die Gebietsgröße!) großflächigeren, generalisierteren Vorgehensweise modifiziert:

  • Die bereits seit Mitte der 1990er Jahre der Mahd gewidmeten Flächen werden auch weiterhin einmal jährlich im Spätsommer gemäht, das Mahdgut wird abgeräumt.
  • Die bisher kleinflächig (auf 100 – 500 qm) zu entbuschenden und durch wechselnde Bodenverwundung zu pflegenden Flächen werden zu großen Einheiten zusammengefasst. Der Oberboden dieser Bereiche wird im Abstand von 5 bis 10 Jahren mittels einer Planierraupe abgeschoben, so dass auf dem Rohboden jeweils eine “primäre” Sukzession neu beginnen kann. Das entstehende räumlich-zeitliche Muster unterschiedlicher Sukzessionstadien ist damit erheblich großflächiger als dies die bisherige Planung zuließ.
  • Größere, vor allem randständige Bereiche werden der Sukzession oder der gelenkten Sukzession (Gebüsche) überlassen. Dies gilt auch für den bisher zur Offenhaltung vorgesehenen Bereich im Südosten des Gebietes.

Die abgestimmte, pragmatische Vorgehensweise führt zu einer erheblichen Vereinfachung der Schutz- und Pflegemaßnahmen. Insbesondere entspricht es den im Verlauf von nun mehr als 10 Jahren Pflege deutlich gewordenen realen Möglichkeiten, ohne die Schutzziele im Kernbereich der Fläche aufzugeben oder zu beeinträchtigen. Erste Ergebnisse lassen im Gegenteil durch die konsequentere Vorgehensweise mit der Abschiebung des Oberbodens durch schweres Gerät und die Schaffung von großflächigeren Einheiten, eine nachhaltigere Entwicklung in die gewünschte Richtung erwarten.

Abschieben von Oberboden

Abschieben von Oberboden

Sowohl die angewandte Methode des Oberbodenabtrages durch schweres Gerät als auch der anvisierte Zeitraum von 5 – 10 Jahren sind offenbar geeignet, die Pionier- und Trockenrasenvegetation der Fläche zu erhalten. Inwieweit die langfristige Humusanreicherung der Böden (auch tieferer Schichten) und dessen Vermischung zu einer Beschleunigung der Sukzession oder zum Ersatz der Pioniergesellschaften nährstoffarmer, trockener Standorte durch Pioniergesellschaften nährstoffreicherer Bereiche führen wird, bleibt abzuwarten.

Aufwandseitig ist durch die Modifizierung des Pflegekonzeptes ebenfalls eine Verringerung eingesetzter Arbeitskraft und Mittel gegenüber dem (in den zurückliegenden Jahren niemals konsequent umgesetzten) kleinflächigeren Pflegekonzept zu erreichen. Mit derzeitigen Hektarbeträgen von ca. 50,- – 150,- Euro pro Jahr ist der Oberbodenabtrag im Vergleich zur Grünlandpflege vergleichsweise günstig.

Lesen Sie hierzu auch einen interessanten Artikel aus den Jahresberichten der Biologischen Station aus dem Jahr 2007, der die Pflegeeinsätze auf dem Holzplatz auch bildhaft erläutert: Aufreißen und Abschieben – Pflegeeinsatz auf dem NSG Holzplatz bei Bönen (PDF 0,5MB)

Literatur:

HAMANN, M. & K.-J. CONZE, 1989: Biotopmanagement Naturschutzgebiet Holzplatz. Pflege- und Entwicklungsplan im Auftrag des Kreises Unna. 60 S.

KREIS UNNA, 1995: Landschaftsplan Nr. 4, Raum Kamen/Bönen. 428 S.

KÜHNAPFEL, K.-B., 1993: Industriebrachen als Lebensraum für Schmetterlinge (Lepidoptera) am Beispiel des Holzplatzes in Bönen. Diplomarbeit, Fakultät für Biologie an der Ruhruniversität Bochum: 135 S.

LOOS, G. H., 1992: Liste der Gefäßpflanzen der Zechenbrache Königsborn 3/4 (incl. Holzplatz Bönen) in Bönen/Kamen-Werve. In: HAEUPLER, H. (Hrsg.): Exkursionführer der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft (42. Jahrestagung vom 24. – 28. Juli 1992 in Bochum), 71-83.

REBELE, F. & J. DETTMAR, 1996: Industriebrachen: Ökologie und Management. Stuttgart: 188 S.

SCZEPANSKI, S., 2002: Untersuchungen zur Heuschreckenfauna im Naturschutzgebiet “Holzplatz” bei Bönen. In: BIOLOGISCHE STATION IM KREIS UNNA: Tätigkeitsbericht 2002: 93 S.

TRANTER, C., 1999: Naturschutzfachliche Effizienzkontrolle des Pflege- und Entwicklungsplanes Naturschutzgebiet “Holzplatz” (Bönen, Kreis Unna) anhand von vegetationskundlichen und ausgewählten faunistischen Untersuchungen. Diplomarbeit, Fachhochschule Osnabrück, Fachbereich Landschaftsarchitektur: 113 S.