Feuchtheiderelikte im LB 129


Geschützter LAndschaftsbestandteil LB 129

Geschützter Landschaftsbestandteil LB 129

Im Winter 2000/2001 wurde im Geschützten Landschaftsbestandteil 129 (LB 129) im Landschaftsplan Werne/Bergkamen auf Vorschlag des ehrenamtlichen Naturschutzes (H.-J. PFLAUME, G. H. LOOS, B. MARGENBURG, NABU u. a.) unter Regie der Biologischen Station eine ca. 1000 qm große Fläche im Bereich einer Feuchtwiese abgeschoben.

Anlass zu dieser Entwicklungsmaßnahme waren vegetationskundlich bedeutsame Funde an einer unmittelbar benachbarten Blänke, die bereits 1997 auf der Fläche angelegt worden war. Hier waren in der Pionierphase des Gewässers Pflanzenarten nährstoffarmer, nasser Sandböden gefunden worden, die im Kreis Unna z. T. nur noch auf wenigen Standorten vorkommen oder seit langem als verschollen galten. Diese Funde korrespondierten mit historischen Belegen der Vegetation (feuchter) Magerstandorte in diesem Teil des Kreises.Bereits in der Urmesstischblattaufnahme des Gebietes sind neben wenigen Ackerflächen und einigen Grünlandflächen in der engeren Lippeaue ausgedehnte “Heide”-Flächen im Bereich der Königslandwehr zu erkennen. Durch die Überweidung und die ständige Entnahme von Gras- und Heidesoden im Zuge der Plaggenwirtschaft waren weite Teile des sandigen Münsterlandes vor 150 bis 200 Jahren derart verheidet. Nach der Markenteilung wurden die ärmsten Flächen aufgeforstet und auf den übrigen Flächen die landwirtschaftliche Nutzung intensiviert, d. h. Heideflächen wurden zu Acker oder Grünland umgewandelt.

der gefährdete Pillenfarn (Pilularia globulifera)

der gefährdete Pillenfarn (Pilularia globulifera)


Durch Folgewirkungen des Bergbaus vernässten zentrale Bereiche der Fläche derart, dass eine reguläre Bewirtschaftung unmöglich wurde. Dieser Teil mit einem dichten, ca. 1 m hohen Flatterbinsen-Bewuchs (Juncus effusus) wurde zur Abschiebung des Oberbodens ausgewählt.

Nach dem Abtrag des dichten Bewuchses aus Flatterbinse und des Oberbodens in einer Stärke von 0,10 m ist die Fläche aufgrund des hoch anstehenden Grundwassers über weite Strecken des Jahres flach überstaut oder stark vernässt. Nur während niederschlagsärmerer Sommermonate fällt die sehr sandige Fläche gänzlich trocken. Diese zeitweilige Überstauung und der Wechsel zwischen nasser und sehr trockener Phase verzögert die üblicherweise auf diesen Rohböden sehr rasch ablaufende Sukzession der Vegetation hin zu eutrophen Vegetationstypen. Bereits in der ersten Vegetationsperiode sind auf der Abschiebefläche Pflanzenarten aufgewachsen ( Beob.: PFLAUME, MARGENBURG, BIOL. STATION), die im Kreis Unna von großer lokaler Bedeutung und im Naturraum Westfälische Bucht selten und z. T. gefährdet sind (WOLFF-STRAUB et al.1999):

bemerkenswerte Pflanzenarten
deutscher Name wissenschaftlicher Name
Pillenfarn Pilularia globulifera (RL NRW 3N, WB 3N)
Niederliegendes Johanniskraut Hypericum humifusum (RL WB 3)
Blasen-Segge Carex vesicaria (RL NRW 3, WB 3)
Zwiebel-Binse Juncus bulbosus
Borsten-Moorbinse Isolepis setacea
Aufsteigende Gelb-Segge Carex demissa
Hängende Segge Carex pendula
Brennender Hahnenfuß Ranunculus flammula


Abgesehen von der möglichen Verbreitung durch Tiere hat sich der überwiegende Teil dieser Arten aus dem Diasporen-Vorrat des Unterbodens entwickeln können. Vor allem der für mesotrophe Flachwasserstandorte mit wechselnden Wasserständen typische Blasenfarn besiedelt größere Areale der Abschiebefläche und bildet dort zusammen mit der Zwiebelbinse und dem Brennhahnenfuß die Pillenfarn-Gesellschaft (Pilularietum globuliferae), die als Pioniergesellschaft nährstoffarmer Uferzonen in Nordrhein-Westfalen stark gefährdet ist (LÖBF 1995).

Im nahen Umfeld der Fläche haben sich im LB 129 zunehmende Populationen des Breitblättrigen Knabenkrautes (Dactylorhiza majalis, RL NRW 3N, WB 2N) und des Gefleckten Knabenkrautes (D. maculata, RL NRW 3N, WB 3) etabliert (H.-J. PFLAUME, B. MARGENBURG, NABU KAMEN/BERGKAMEN). Daneben ist mit der Sparrigen Binse (Juncus squarrosus, RL NRW 3N, WB N) eine weitere regional bedeutsame Rote-Liste-Art im randlichen Bereich des Magergrünlandes zu finden.


Ausschnitt aus historischem Messtischblatt

Ausschnitt aus historischem Messtischblatt



Ohne pflegenden Eingriff werden die Pioniergesellschaften dieses feucht-armen Standortes im Zuge der Sukzession wieder relativ schnell verschwinden. Anders als in großflächigen Schutzgebieten mit der Möglichkeit zum “Prozessschutz” kann im LB 129 aber nur die im Abstand von mehreren Jahren wiederkehrende Abschiebung oder Abplaggung von Hand die Dynamik ersetzen, die zum Erhalt der gefährdeten Pflanzengesellschaften notwendig ist.




Abtrag des Oberbodens als Element der Landschaftsplanung

Die erfolgreiche Pflegemaßnahme im LB 129 zeigt exemplarisch, dass – ebenso wie im Sandmünsterland – auch im Kreis Unna auf geeigneten Standorten eine Regeneration historischer, z. T. verschollener Vegetationskomplexe noch immer möglich ist. Sind die standörtlichen Voraussetzungen gegeben – nährstoffarme, nicht tiefgreifend veränderte Sandböden – kann der Abtrag des humosen Oberbodens auf Teilflächen die Keimung des auch heute noch vorhandenen historischen Diasporenvorrats tieferer Bodenschichten ermöglichen. Kartenwerke aus der Zeit vor der landwirtschaftlichen Intensivierung können, zusammen mit Bodenkarten, gute Hinweise auf geeignete Standorte geben. Im Kreis Unna sind hier insbesondere die im nördlichen Kreisgebiet zum Naturraum der Westfälischen Bucht zählenden ehemaligen Heide- und Allmendgebiete von Interesse, entsprechende Hinweise aus dem ehrenamtlichen Naturschutz liegen seit Jahren vor (W. LOOS, G. H. LOOS, H.- J. PFLAUME).

Neben der Prüfung der Standortvoraussetzungen und der historischen Flächennutzung ist allerdings oftmals auch eine Revision der bisherigen Pflege- und Entwicklungsziele auf Teilflächen im Zuge einer Abwägung notwendig.


Entwicklung nach Oberbodenabtrag im LB 129

Entwicklung nach Oberbodenabtrag im LB 129

Insbesondere auf landwirtschaftlich nicht oder nur noch mittels weitreichender Förderungszusagen nutzbaren Flächen im Eigentum der öffentlichen Hand sollte in Zukunft auf geeigneten Standorten kleinflächig vermehrt der Option Oberbodenabtrag der Vorzug gegenüber einer rein musealen Entwicklung von Magergrünland gegeben werden. Die abgetragenen Flächen, vielmehr die entstehenden, gefährdeten Pioniergesellschaften, benötigen zwar auch einen regelmäßigen Pflegeeingriff. Das Verfahren des Oberbodenabtrags mit einer spontanen Selbstbegrünung führt aber aus vegetationskundlicher Sicht sehr schnell zu einer Wiederansiedlung des hochwertigen historischen floristischen Arteninventars.

Dies gilt insbesondere im Vergleich mit der vielfach praktizierten Einsaat von Ackerflächen mit Standardgrünlandmischungen und einer anschließenden langjährigen Grünlandextensivierung. Grundsätzlich sollte das Abschieben der obersten Bodenschichten auf mageren Böden als eine, wenn auch nur kleinflächig anzuwendende Alternative zur Grünlandeinsaat oder gelenkten Sukzession mit Hochstaudenfluren betrachtet werden.

Literatur:

LÖBF [LANDESANSTALT FÜR ÖKOLOGIE, BODENORDNUNG UND FORSTEN/LANDESAMT FÜR AGRARORDNUNG NORDRHEIN-WESTFALEN), 1995: Rote Liste der Pflanzengesellschaften in Nordrhein-Westfalen. Schriftenreihe der Landesanstaltfür Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen. Band 5. Recklinghausen.

WOLFF-STRAUB, R., BÜSCHER, D., DIEKJOBST, H., FASEL, P., FOERSTER, E., GÖTTE, R., JAGEL, A., KAPLAN, K., KOSLOWSKI, I., KUTZELNIGG, H., RAABE, U., SCHUMACHER, W., VANBERG, C., 1999: Rote Liste der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) in Nordrhein-Westfalen. In: LÖBF [Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen), 1999: Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3 Fassung. Schriftenreihe der Landesanstaltfür Ökologie, Bodenordnung und Forsten/Landesamt für Agrarordnung Nordrhein-Westfalen. Band 17: 75 -171.