Gerade war gestern – Renaturierung des Strickherdicker Baches beginnt Ende August 2018

Außer Tiefenerosion bisher wenig Bewegung – das ändert sich jetzt

Ende August werden im Naturschutzgebiet Strickherdicker Bachtal Bagger und Baumaschinen auffahren. Nach einer langen Planungsphase soll jetzt der Strickherdicker Bach renaturiert werden.

Die Talaue und der Bachlauf im Naturschutzgebiet Strickherdicker Bachtal zwischen Fröndenberg-Strick­herdicke und Langschede unterlagen in den letzten 150 Jahren einem beständigen Wandel. Schon bei der ersten Kartierung der Flächen hat die Preußische Uraufnahme 1839/1840 die überwiegende Nutzung der Aue als Grünland, unterbrochen von einigen Gehölzinseln fest­gehalten. Der Bachlauf selbst verlief mehr oder weniger frei mäandrierend.

Das Strickherdicker Bachtal 1892 (rot eingezeichnet die heutige NSG-Grenze)

Das Strickherdicker Bachtal 1892 (rot eingezeichnet die heutige NSG-Grenze)

In den folgenden Jahrzehnten ist das Grünland in diesem Siepen, wie auch in anderen Bachtälern im hiesigen Raum, als Flößwiese genutzt worden. Bachlauf und Talaue wurden zu diesem Zweck sicherlich schon im 19. Jahrhundert in weiten Teilen umgestaltet. Mittels im Bachlauf eingebauter kleiner Stauwehre konnte das Grünland geflößt, also geflutet werden, um dadurch ein früheres, gleichmäßigeres und kräftigeres Wachstum des Grases für die Mahd zu bewirken.
Zuletzt wurde der Strickherdicker Bach mit der nationalsozialistischen Machtübernahme und Ideologisie­rung einer einschneiden­den Veränderung unterzogen. 1934 hat der Nationalsozialistische Arbeitsdienst (NSAD) den Strickherdicker Bach durch den Einbau von Stauwehren, die Anlage von Quer- und Seitengräben und den Bau von Brücken massiv umgestaltet und in weiten Abschnitten begradigt. Der Bachlauf wurde zwischen dem Heideweg und Langschede auf ganzer Länge in die Talmitte verlegt.
Durch das Aufkommen des Kunstdüngers und die fort­schreitende Mechanisierung in den 1950er Jahren ist die Flößwiesennutzung landesweit zum Erliegen gekommen und auch im Strickherdicker Bachtal kaum mehr prakti­ziert worden, die Flächen fielen brach, der Unterhalt der Stauwehre wurde eingestellt.
Im Strickherdicker Bachtal hat ein weiterer, letzter Eingriff die Entwicklung zur Sozialbrache befördert. Mitte der 1960er Jahre wurde entlang des Talzuges der Abwasserkanal zwischen Strickherdicke und Langschede verlegt. Die eingesetzten Baufahrzeuge zerstörten teilweise die verlegten Ton-Drai­nagen der Grünlandflächen. Auch ohne das Flößen der Wiesen vernässte das Grünland durch das Hangdruck­wasser der Seitenkanten zusehends, so dass eine gewinnbringende Nutzung mit den inzwi­schen eingesetzten land­wirtschaftlichen Maschi­nen immer schwieriger wurde.

Topographische Karte 1973

Topographische Karte 1973

Die letzten Begradigungen des Bachlaufes haben nicht nur in der Horizontalen deutliche Spuren im Gebiet hin­terlassen: Das starke Gefälle des Strickherdicker Baches hat eine enorme Tiefenerosion – ausgelöst durch die Begradigung – in Gang gesetzt. Das beträchtliche Gefälle des begradigten Bachlaufes von knapp 10 m auf 500 m Laufstrecke führte im Südabschnitt zu einer extremen Eintiefung des Gewässers von bis zu 4 m unter Geländeniveau. Durch den Verfall der Wehre erodierte der Gewässerboden in den letzten Jahren rückschreitend mit zunehmender Geschwindigkeit. Die angrenzenden nassen und feuchten Brachwiesen und Hochstaudenfluren wurden durch die Tieferlegung des Was­serhorizontes entwässert und da­mit aus Sicht des Naturschutzes erheblich entwertet.

Bestandsplan 2006 - damals blau eingezeichnet die mögliche Lage eines renaturierten Bachlaufs

Bestandsplan 2006 – damals blau eingezeichnet die mögliche Lage eines renaturierten Bachlaufs

Seit Jahren haben der Kreis Unna und die Biologische Station nach einer umsetzbaren und finanzierbaren Lösung gesucht, um die rückschreitende Erosion des Bachlaufes zu stoppen, diesen wieder in einem natürlicherem Bett verlaufen zu lassen und die angrenzenden Flächen zu vernässen. 2017 hat die Bezirksregierung Arnsberg nun die Fördermittel zugesagt, den Bachlauf zu renaturieren.

Geplanter renaturierter Bachlauf südlich des Heideweges

Geplanter renaturierter Bachlauf südlich des Heideweges

Im Südteil des Naturschutzgebietes wird der Kreis Unna die Lauflänge des Baches durch ein neu herzustellendes, mäandrierendes Bachbett erhöhen und die Tiefenerosion damit stoppen. Um am Südende des Planbereiches den Anschluß an das vorhandene, tiefliegende Bachbett herzustellen, ist dort der Bau einer Sohlrampe notwendig, über die das Wasser fischdurchgängig die letzten Höhenmeter herabrieseln kann. Die Rampe soll zuverlässig verhindern, dass sich das Wasser auf kürzestem Weg wieder tief in den Untergrund eingräbt.

Ende August starten die Bagger. Angefahren wird die Baustelle von Süden aus Langschede, der Heideweg wird weitestgehend frei gehalten. Wenn das Wetter mitspielt, sind die Bauarbeiten im Frühjahr 2019 abgeschlossen – dann heißt es wirklich: gerade war gestern!