Erfassung planungsrelevanter und weiterer Wert gebender Brutvögel im NSG „Wilshauser Holz“ und Umgebung im Jahr 2021

Im Jahr 2021 wurden im Naturschutzgebiet „Wilshauser Holz“ avifaunistische Kartierungen durchgeführt. Das 25,2 ha große Untersuchungsgebiet (UG) NSG „Wilshauser Holz“ liegt an der Südgrenze des FFH-Gebiets „Geithewald“ (119 ha) im Stadtbezirk Uentrop, das in der waldarmen Stadt Hamm den zentralen Teil einer Waldvernetzungsachse zwischen Holthöfen und Frielicker Holz darstellt.

Der altersheterogene Laubwald besteht vorherrschend aus Eichen-Hainbuchenwald mit Altbäumen und artenreicher Strauch- und Krautschicht (Stieleichen-Hainbuchenmischwald). Eingestreut sind Buchen-Altholzinseln (Hainsimsen-Buchenwald, Buchenmischwald), im Zentrum findet sich eine feuchte Grünlandbrache mit Orchideenvorkommen (Geflecktes Knabenkraut, Weiße Waldhyazinthe). Beim FFH-Gebiet „Geithewald“ (119 ha) handelt es sich um bewirtschaftete Waldflächen des Lebensraumtyps Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald mit hohem Altholzanteil auf staunassem Grund, in deren Ostteil sich Relikte einer Mittelwaldnutzung und Tagfalterlebensräume von überregionaler Bedeutung finden.

NSG „Wilshauser Holz“

NSG „Wilshauser Holz“

Zu erfassen waren im Rahmen der Revierkartierungen alle „streng geschützten“ sowie im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie und in der „Roten Liste NRW“ geführten Vogelarten. 2021 konnten im NSG “Wilshauser Holz“ 70 Brutvogelarten nachgewiesen werden, von denen 68 als wahrscheinliche und sichere und zwei als mögliche Brutvögel eingestuft wurden. 20 dieser Arten gelten als planungsrelevant und immerhin 12 Arten mussten bereits in die aktuelle Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten Nordrhein-Westfalens aufgenommen werden (MKUNLV 2015, GRÜNEBERG et al. 2016).

Die im UG vorgefundene Vogelgemeinschaft entspricht in ihrer Zusammensetzung den in den Landschaftstypen „Eichen-Hainbuchen-Wälder“, „Tiefland-Perlgras-Buchenwälder“ und „Hartholzauen“ zu erwartenden Arteninventaren (FLADE 1994) und zeichnet sich besonders durch hohe Siedlungsdichten der Wert gebenden Spechtarten und weiterer Höhlenbrüter sowie durch Brutvorkommen in Hamm seltener Greifvogelarten aus. FLADE (1994) benennt 13 Leitarten des Eichen-Hainbuchen- und Tieflandbuchenwaldes in Norddeutschland, von denen zehn zur Brutzeit nachgewiesen werden konnten. Mit neun von 13 Arten bestimmen Hohlenbrüter die Leitartengruppen der unterwuchsarmen Buchen- und strukturreicheren Eichenwälder; hinzukommen mit Waldkauz und Kleinspecht zwei Leitarten der Hartholzauen sowie u. a Gartenrotschwanz, Star und Grauschnäpper, die in z. T. hohen Dichten brüten.

Waldkauz (Ästling), Westgeithe, 14.04.2017, Foto: R. Biermann.

Waldkauz (Ästling), Westgeithe, 14.04.2017, Foto: R. Biermann.

Mit 6-7 Revieren des Mittelspechtes (2,4-2,8 Reviere/10 ha) werden sehr hohe Dichten erreicht, die etwa der Kapazitätsgrenze von 2-3 Revieren/10 ha in Mitteleuropa entsprechen und deutlich über den Durchschnittswerten dieser Leitart in Eichenwäldern und in Hartholzauen liegen (FLADE 1994). Der aktuelle Brutbestand (2016-2020) im Stadtgebiet von Hamm (226 km²) wird bei 40-60 Revieren eingeordnet. Auch der Kleinspecht (als Leitart der Birkenbruch- und Weidenwälder) kommt mit 3 Revieren (1,2 Reviere/10 ha) in erstaunlicher Dichte vor. Der Brutbestand dieser schwer erfassbaren Art wird in Hamm auf derzeit mindestens 30 Reviere geschätzt (POTT 2021, 2020 b).

Fütternder Mittelspecht, Westgeithe, 25.05.2012, Foto: W. Pott.

Fütternder Mittelspecht, Westgeithe, 25.05.2012, Foto: W. Pott.

Während der Rotmilan derzeit als Brutvogel im (NSG) Wilshauser Holz fehlt, konnten 2021 zwei benachbarte Reviere im Waldgebiet „Gelber Schlot“ und in der Ostgeithe festgestellt werden.Eine tragische Rolle spielt die illegale Greifvogelverfolgung in den Wäldern der unmittelbaren Umgebung: Von Mai 2008 bis Juni 2015 wurden drei tote Rotmilane um den Horst im „Gelben Schlot“ gefunden, von denen  einer nachweislich vergiftet war.

2021 konnte eine erfolgreiche Brut des Habichts im Buchenaltholz des NSG Wilshauser Holz nachgewiesen werden. Der Habicht hat im Stadtgebiet von Hamm (226 km²) mit derzeit 6-8 Brutpaaren seit 1995 sehr stark abgenommen. Diese geringe Siedlungsdichte entspricht etwa einem Drittel des potentiellen Bestands, wie die 20 BP im Jahr 1994 zeigen. Bemerkenswert ist die hohe Siedlungsdichte des Waldkauzes (mit 4-6 Revieren/km²) im SW-Teil des FFH-Gebiets „Westgeithe“ und im Wilshauser Holz, wo auf 100 ha Fläche 4 rufende Paare und weitere 1-2 singende Männchen gefunden wurden. Der Brutbestand der Art in Hamm dürfte aktuell bei 60-80 BP einzuordnen sein (POTT 2021).

Waldlaubsänger, Westgeithe, 15.05.2017, Foto: A. Langer.

Waldlaubsänger, Westgeithe, 15.05.2017, Foto: A. Langer.

Das eine besetztes Revier des Waldlaubsängers im NSG Wilshauser Holz (25 ha) entspricht den Erwartungen. 2021 wurden im UG auch zwei Reviere des Trauerschnäppers in stehendem Totholz erfasst. Bemerkenswert sind auch ein fütterndes Brutpaar des Gartenrotschwanzes (in Hamm sehr starke Abnahmen von 1992-2007, Brutbestand von 2016-2020 stabilisiert bei 5-15 Revieren) und hohe Siedlungsdichten des Stars mit 15-16 Revieren (5,9-6,3 BP/10 ha, POTT 2020 b). Unter den nicht planungsrelevanten Arten überrascht der im Wilshauser Holz häufige Grauschnäpper als weiterer (Halb-)Höhlenbrüter mit einem Brutbestand von 17-19 Revieren. Nach dem Leitartenmodell von (FLADE) ist ein besonderes Augenmerk auf die Beschreibung von Defiziten zu legen, die im UG allenfalls im Fehlen der Waldschnepfe gesehen werden.

Im Kapitel 4.2 werden bemerkenswerte Nachweise seltenerer Tagfalterarten im UG und in der Westgeithe mitgeteilt (Kaisermantel, Kleiner Eisvogel, Großer Schillerfalter). Kurz vorgestellt wird der aktuell bekannte Stand zur Situation Wert gebender Orchideen (Geflecktes Knabenkraut, Weiße Waldhyazinthe). Mögliche Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen werden besonders in Verbindung mit den hohen Siedlungsdichten (Mittelspecht, Kleinspecht, Star, Grauschnäpper) sowie weiteren Vorkommen Wert gebender Höhlenbrüter wie Trauerschnäpper und Gartenrotschwanz gesehen und diskutiert. Von besonderem Wert für den Artenschutz in Hamm ist außerdem der auch 2021 besetzte Brutplatz des Habichts. Es wird daher vorgeschlagen, die strukturreiche Südosthälfte des Wilshauser Holzes komplett aus der Nutzung zu nehmen und zu einem Wildnisentwicklungsgebiet (WEG) von etwa 13 ha Größe aufzuwerten. Davon unbenommen bleiben sollte, auch der Einwanderung der Goldrute wegen, die Pflege der Orchideenwiese im Südteil des Waldes. Der Anteil nutzungsfreier WEG läge bei Umsetzung des Vorschlags perspektivisch bei 153 ha und damit bei 8,5 % der Waldfläche Hamms.