Grünlandentwicklung im NSG Beversee – ein Blick nach 10 Jahren extensiver Nutzung

Im Jahr 2020 und 2021 wurden die Wiesen im Osten des Naturschutzgebietes (NSG) und Fauna-Flora-Habitatgebietes „Beversee“ von der Biologischen Station nach gut 10 Jahren erneut kartiert. Im Fokus standen dabei die im Anhang 1 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gelisteten „Glatthaferwiesen“ (FFH-LRT 6510), die seit Kurzem auch als gesetzlich geschützte Biotope im BNatSchG (§30) geführt werden. Wie bei der letzten flächigen Kartierung in 2010, wurde nicht nur nach den Vorgaben des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) sondern auch nach dem Grünlandkartierungsschlüssel des LANUV (2017; allgemein bekannt unter der Bezeichnung „Förster-Schlüssel“) kartiert, der in NRW als Standardwerk gilt. Im Folgenden soll ein Versuch unternommen werden, die Ergebnisse dieser detaillierten Untersuchungen miteinander zu vergleichen und Entwicklungstrends aufzuzeigen.

schon auf den ersten Blick wird klar: diese Wiesen sind anders! mehr Strukturenreichtum, mehr Blütenreichtum, eine größere Artenvielfalt
ein Highlight auf den artenreichen Wiesen des Naturschutzgebietes Beversee Dactylorhiza majalis (Breitblätttriges Knabenkraut) – ein Hingucker am Wegesrand

Die Wiesen des NSG Beversee werden seit vielen Jahren bereits extensiv bewirtschaftet (s. dazu auch Naturreport 2013, S. 101). Bis auf Fläche 6, die von der Biologischen Station ein bis möglichst zweimal im Jahr mit kleinem Gerät gepflegt wird, sind alle in der nachfolgenden Karte dargestellten Flächen verpachtet und werden für Pferdeheu genutzt.

Seit 2018 gibt es z. T. flächige Schadstellen durch Wildschweine. Derartige Störstellen wurden bisher eingeebnet und der Selbstberasung überlassen. 2020/2021 konnten dadurch rund 0,8 ha Wiesenfläche nicht angesprochen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass hier kein Potential mehr in den Flächen steckt.

Übersicht der Nutzflächen
in dieser älteren Störstelle keimen zahlreiche wertgebende Zielarten
auch die Stickstoffarmut anzeigende, konkurrenzschwache Gras-Sternmiere (Stellaria graminea) …
… profitiert eindeutig von den guten Keimungsbedingungen

Die Kartierungen erfolgten sowohl 2010, als auch 2020/2021 vor dem ersten Wiesenschnitt von Ende Mai bis Mitte Juni. Dies ist die Zeitspanne in der der überwiegende Anteil der bestandsbestimmenden, charakterisierenden Pflanzenarten gut ansprechbar ist. Es wurde für jede Kartiereinheit versucht, alle Arten, die ihren Verbreitungsschwerpunkt in Grünlandgesellschaften haben, vollständig aufzulisten. Nur die Bereiche, die in den betreffenden Jahren bewirtschaftet wurden, werden im Folgenden näher betrachtet (2010 rund 9,4 ha; 2020/2021 rund 9,3 ha). Randliche Bereiche, die z.B. aufgrund unzureichender Befahrbarkeit nicht gemäht werden konnten oder unregelmäßig gepflegte Saumstreifen bleiben daher außen vor.

Die Kartierergebnisse werden in den folgenden Karten und der nachfolgenden Artenliste zusammengefasst. Die Artenliste orientiert sich nomenklatorisch an der Datenabgabe an das LANUV von 2021 (Verfahren „v_osiris53_2020a_n“).

Biotoptypenübersicht mit Angabe zum Schutzstatus gemäß §42 LNatSchG – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021 – zur Vergrößerung bitte anklicken
Legende – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021 – 6510er-Flächen, die 2020/2021 erfasst wurden, werden unter den §42er-Biotoptypen, als „Biotoptypen der gesetzlch geschützten Biotope“ geführt
Lebensraumtypenübersicht mit Angabe zum Schutzstatus gemäß §42 LNatSchG – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021 – zur Vergrößerung bitte anklicken
Legende – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021Legende – 6510er-Flächen, die 2020/2021 erfasst wurden, werden unter den §42er-Biotoptypen, als „Biotoptypen der gesetzlch geschützten Biotope“ geführt
Bestandsansprache gemäß Förster-Schlüssel – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021 – zur Vergrößerung bitte anklicken
Legende – links Kartierung aus 2010 – rechts Kartierung aus 2020/2021
auf den Flächen kartierte Grünlandarten im Vergleich – zur Vergrößerung bitte anklicken

Wie die Ergebnisse zeigen, haben sich die Wiesen im Beverseegebiet seit 2010 z.T. stark gewandelt. Mehrere wertgebende mesophile Krautige wie Gewöhnliche Möhre (Daucus carota subp. carota), Wiesen-Bocksbart (Tragopogon pratensis; beides 6510er-Kennarten), Quendel-Ehrenpreis (Veronica serpyllifolia) oder Vogel-Wicke (Vicia cracca s. str.) konnten 2020/2021 neu auf den Flächen nachgewiesen werden bzw. haben sich ausgebreitet. Vielfach prägen mittlerweile Unter- / Mittelgräser wie Rot-Schwingel (Festuca rubra agg.) und Rotes Straußgras (Agrostis cappilaris) oder Gewöhnliches Ruchgras (Anthoantum odoratum) und Wolliges Honiggras (Holcus lanatus) die Bestände. Sicherlich auch den trockenen vorausgegangenen Frühjahren / Sommern zuzuschreiben ist der Umstand, dass diverse Magerkeitszeiger, wie Kleiner Sauerampfer (Rumex cetosella s. l.), Kleine Pimpinelle (Pimpinella saxifraga) oder Kanten-Hartheu (Hypericum maculatum agg.; Artengruppe) neu auf den Flächen festgestellt werden konnten oder sich wie Gras-Sternmiere (Stellaria graminea) und Gewöhnliche Hainsimse (Luzula campestris s. Str.) in den lückigeren, niedrigwüchsigeren Beständen augenscheinlich ausgebreitet haben. Dies zeigt sich auch anhand der detaillierten Häufigkeitsangaben, die jeder kartierten Art in jeder Kartiereinheit zugewiesen wurden (die detaillierten Kartierergebnisse sind z.B. im Biotopkataster des LANUV abzurufen). Letztgenannte Art und die (auch von der Ökologie her) sehr ähnliche, aber etwas später blühende und etwas mastiger erscheinende Vielblütige Hainsimse (Luzula multiflora) waren oftmals dafür Ausschlag gebend, dass Glatthaferwiesen-Bestände gemäß Förster-Schlüssel in 2020/2021 flächig als magere Standorte anzeigendes A32 (Dauco-Arrhenatheretum typicum, Var. v. Luzula campestris; auf frischem Standort), A42 (Dauco-Arrhenatheretum typicum, Var. v. Alopecurus pratensis, Subvar. v. Luzula campestris; auf mäßig feuchtem Standort) oder A52 (Dauco-Arrhenatheretum lychnetosum, Var. v. Luzula campestris; auf feuchtem Standort) angesprochen werden konnten (z.B. Fläche 1, 2, 9 oder 10). Die Aushagerung der Flächen zeigt sich gleichfalls in der vergleichenden Kartenansicht zu den Biotoptypen und den übergeordneten Lebensraumtypen (z.B. Fläche 1, 9 oder 10). Für die Ansprache des Biotoptyps „Magerwiese“ (ED1) bedarf es mindestens eines Magerkeitszeigers auf der Fläche mit frequentem Vorkommen (> 1% Deckung). Gleiches gilt für den Lebensraumtyp „Magergrünland incl. Brachen (NED0). Einige Bereiche sind hier mittlerweile qualitativ so gut, dass sie selbst die hohen Kriterien gemäß §42 LNatSchG erfüllen. Sie weisen mindestens acht der aufgeführten Magerkeitszeiger auf, die „wenigstens in der Summe über alle Magerkeitszeiger mit mehr als 1% Deckung und regelmäßig verteilt auftreten“.

die weiß blühende Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare agg.; Artengruppe) ist einer der zahlreichen Magerkeitszeiger der Flächen

Wo die Aushagerung merklich zum Ausfallen des Stickstoffreichtum zeigenden Glatthafers (Arrhenatherum elatius; namensgebende Art der „Glatthaferwiesen“) führte (insbesondere auf Fläche 10 sichtbar), zeigen sich beim Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis subsp. pratensis) gleich zwei Effekte. Diese Art ist zum einen Stickstoffzeiger (Stickstoffzahl nach Ellenberg 7 = „Stickstoffreichtum zeigend“), zeigt gemäß Förster-Schlüssel aber auch mäßige Feuchte an. Wo Flächen abtrocknen, fällt auch diese Art langfristig aus (z.B. im Südosten von Fläche 9 merklich). Sowohl Glatthafer, als auch Wiesen-Fuchsschwanz sind Kennarten des FFH-LRT 6510. Wo diese Arten ausfallen, müssen andere krautige Kennarten eine Fläche in ausreichender Deckung kennzeichnen, damit der Status dieses Lebensraumtyps erhalten bleibt. Ungeachtet der Wildschweinschäden gab es von 2010 bis 2020/2021 eine flächenmäßige Abnahme dieses Lebensraumtyps von 5,28 ha auf 3,74 ha.

Es stellt sich die Frage, inwieweit sich diese Entwicklungen langfristig auch auf das Vorkommen von Feuchte- und/oder Nässezeigern und damit auf die Wertigkeit der Bestände auswirken werden. Muss dauerhaft auf den Flächen mit einem Verlust von gesetzlich geschütztem Feucht- / Nassgrünland gerechnet werden? Der Osten von Fläche 7 wurde 2010 noch als E72 (Bromo-Senecionetum caricatosum nigrae) bzw. A6 (Dauco-Arrhenatheretum lychnetosum, Var. v. Angelica sylvestris, auf mäßig nassem Standort) angesprochen. 2020/2021 konnte er lediglich noch als A52 (Dauco-Arrhenatheretum lychnetosum, Var. v. Luzula campestris; auf feuchtem Standort) angesprochen werden. Hier blieb der §42er-Status erhalten bzw. konnte sogar ausgeweitet werden. Im zentralen Bereich von Fläche 9 wurde ein in 2010 kartierter Calthion-Bestand des E62 (Bromo-Senecionetum brometosum hordeacei) in 2020/2021 lediglich noch als feuchte Glatthaferwiese (A5, Dauco-Arrhenatheretum lychnetosum) angesprochen. Hier entfiel bereits der gesetzliche Schutz, da keine ausreichende Deckung an Nässe- und Feuchtezeigern mehr vorlag.

Andererseits scheint sich die Ausmagerung der Flächen teilweise auch positiv auf konkurrenzschwächere Feuchtezeiger ausgewirkt zu haben. Insbesondere niedrigwüchsige, konkurrenzschwache Feuchtezeiger, wie Sumpf-Schafgarbe (Achillea ptarmica) oder Knäuel-Binse (Juncus conglomeratus; beides auch gleichzeitig Magerkeitszeiger), scheinen profitiert zu haben.

Von 2010 bis 2020/2021 hat sich die Fläche des gesetzlich geschützten Nass- und Feuchtgrünlandes ungeachtet der Wildschweinschäden von 2,46 ha auf 2,17 ha nur leicht verringert. Davon erfüllen mehr als 2,96 ha gleichzeitig auch die Kriterien für gesetzlich geschütztes Magergrünland. Daneben hat sich die Fläche von gesetzlich geschützten Magergrünlandes von 0,48 ha auf 1,81 ha deutlich vergrößert. Von dieser Fläche erfüllen gleichzeitig auch größer 0,78 ha die Kriterien für gesetzlich geschütztes Nass- und Feuchtgrünland.

 

kein hoher Ertrag für den Landwirt, aber naturschutzfachlich sehr hochwertig – niedrigwüchsiger und qualitativ hochwertiges Grünland anzeigender Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedys subsp. chamaedrys)
 

Bei einem vergleichenden Blick auf die Lebensraumtypenkarte bleibt festzuhalten, dass die Wiesen des Naturschutzgebietes Beversee bereits 2010 in einem hervorragenden Zustand waren und sich gen 2020/2021 weiterhin sehr positiv entwickelt haben. Wo nicht von Wildschweinen zerwühlt oder in beschatteter Waldrandlage liegend, weisen fast alle Flächen flächendeckend einen gesetzlichen Schutz gemäß §42 LNatSchG auf. Auch auf der historisch gesehen noch recht jungen, frisch bis mäßig feuchten Fläche 1 konnten sich zahlreiche Zielarten neu etablieren.

Nicht zuletzt ein Blick auf die umfangreiche Artenliste spiegelt die Wertigkeit der Flächen wider. Dies alles wirft einen positiven Blick auf die bisherige extensive, bodenschonende Nutzung, die so lange umsetzbar auch weiterhin praktiziert werden sollte. Mit einem neuen, engagierten Jagdpächter an der Seite versucht der Regionalverband Ruhr -Flächeneigentümer der Flächen- die Wildschweinschäden auf der Fläche zu reduzieren.