Klappern gehört zum Handwerk – von der Projektskizze zu den ersten Weißstorchbruten im Kreis Unna

Falko Prünte

Weißstörche als Brutvögel im Kreis Unna? An diese Art hatte im Jahr 2000 jedenfalls noch niemand gedacht, als im Brutvogelatlas das Kapitel „Potentielle Brutvögel des Kreisgebietes“ von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft geschrieben wurde. Unter den 17 genannten Arten ist der Weißstorch nicht zu finden (und 14 Jahre später finden sich mit gutem Willen auch nur 5 der 17 Arten als Brutvögel im Kreis Unna – soviel zur allgemeinen Sicherheit der Vorhersage . . .).

Acht Jahre später war dann der Gedanke an eine Storchenbrut im Kreis aber gar nicht mehr so abwegig. Dank der Nachbarkreise, die mit gezielten Wiedervernässungsmaßnahmen und dem Aufbau von Nisthilfen erste Erfolge bei der Wiederansiedlung von Weißstörchen aufzuweisen hatten, wagte sich auch die Biologische Station im Kreis Unna zaghaft und vielfach noch belächelt mit einer Projektskizze unter die Weißstorch-Förderer – schließlich waren auch hier in den Flussauen erhebliche Anstrengungen unternommen worden, auengerechte Feucht- und Nasslebensräume wieder zu etablieren.

Sondermittel in Höhe von 3500 Euro der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, eigentlich nur für theoretische Überlegungen zur besseren Darstellung der Naturschutzarbeit bestimmt, nutzte die Biostation zur Analyse potentieller Brutstandorte im Kreisgebiet und dann auch gleich zur preisoptimierten Aufstellung von Nisthilfen. Favorisiert wurden 2008 vier potentielle Standorte in der Lippeaue (Blänke Disselkamp einschließlich des Feuerwehrhauses in Heil, Lippeschleife Gersteinwerk an der Kreisgrenze Unna/Hamm, Ökologiestation Heil und Lippeaue westlich Lünen), drei Standorte in der Ruhraue (Röllingwiese, NSG Kiebitzwiese und NSG Mühlenstrang) sowie ein Standort im NSG Uelzener Heide/Mühlhauser Mark bei Unna. Entscheidende Kriterien waren die potentielle Nahrungsverfügbarkeit, die Beobachtungshäufigkeit von Weißstörchen in den Sommermonaten der letzten Jahre und die Möglichkeit, eine Nisthilfe platzieren zu können.

Immerhin die Hälfte dieser Nisthilfen ist bis heute aufgestellt: drei der vier Punkte in der Lippeaue (bis auf den Standort Lünen) sowie die Nisthilfe auf der Kiebitzwiese in Fröndenberg.

Konrad Linnemann und Team stellen für die Biostation 2009 den ersten Kunsthorst in der Lippeaue am Gersteinwerk in Hamm auf

Konrad Linnemann und Team stellen für die Biostation 2009 den ersten Kunsthorst in der Lippeaue am Gersteinwerk in Hamm auf

Obwohl bezugsfertig, tat sich jahrelang fast nichts: einzelne anfliegende, auch mal klappernde Störche bewiesen zwar, dass die gewählte Bauform die Art an irgendetwas erinnerte, zu weitergehenden Handlungen reichte es aber offenbar nicht aus. Angesichts der rasch fortschreitenden Brutpaar-Verdichtung in den Nachbarkreisen kamen auch bei der Biostation Zweifel an der Eignung des Kreises Unna auf – eine zu trockene Baustelle?

Ab der zweiten Märzdekade 2014 reagierten Wolfgang Pott (www.oag-hamm.de), Klaus Nowack und andere Ornithologen (www.oagkreisunna.de) deshalb allesamt sehr verhalten auf die ersten in der hiesigen Lippeaue eintreffenden Weißstörche. Auf der an der Kreisgrenze auf Hammer Gebiet aufgestellten Nisthilfe am Gersteinwerk war bereits Mitte März ein Storchenpaar brutverdächtig. Als Ende März dann zwei klappernde und sogar kopulierende Weißstörche auf der Nisthilfe an der Blänke Disselkamp im Naturschutzgebiet Lippeaue zwischen Werne und Heil zum täglichen Bild gehörten, wurde es auch für den Kreis Unna interessant.

Der erste ernsthafte Ansiedlungsversuch eines Brutpaares im Kreis hatte begonnen. Schnell stellte sich durch die vielen Beobachter und Beobachtungen heraus, dass es nicht nur „das“ Paar gab, sondern dass sich in der Lippeaue mindestens sechs verschiedene, teils rivalisierende Vögel tummelten. Durch einzelne beringte Tiere konnte nachgewiesen werden, dass zwischen den beiden Nisthilfen am Gersteinwerk und am Disselkamp ein reger Austausch herrschte. Während dann ein Paar am Gersteinwerk zügig mit der Brut begann, ging es an der Blänke Disselkamp nicht recht weiter.

Nestbau am Gersteinwerk auf dem Kunsthorst Foto: Günter Reinartz

Nestbau am Gersteinwerk auf dem Kunsthorst Foto: Günter Reinartz

Gudrun und Günter Reinartz gelang es mit entsprechender Fototechnik die Ringnummer eines beringten Horststorches vom Disselkamp abzulesen. Damit standen Alter und Herkunft des möglichen Brutpartners fest: Der Vogel war 2012 nestjung in Mittelfranken beringt worden und begann nun mit dem Erreichen der Geschlechtsreife, aber noch unerfahren, seinen ersten Brutversuch – vielleicht ein Hinweis auf die Verzögerungen.

Mitte Mai brachen die beiden Störche am Gersteinwerk in Hamm die Brut erfolglos ab. Fast zeitgleich zog das Brutpaar der Blänke Disselkamp auf den Kunsthorst des Feuerwehr-Schlauchturmes in Heil um, den die Heiler Feuerwehr im Zuge der Renovierung des Feuerwehrgerätehauses angebracht hatte. Und dort ging es dann endlich zur Sache, das Paar saß tatsächlich auf Eiern und begann zu brüten. Zu diesem Zeitpunkt hatten erfahrene Storchenpaare in den Nachbarkreisen bereits geschlüpfte Jungvögel zu versorgen.

Parallel dazu konnten Gregor Zosel und andere Ornithologen auf der Kiebitzwiese in Fröndenberg ab der zweiten April-Hälfte die Ankunft weiterer Weißstörche an der dortigen Nisthilfe beobachten. Nach allerlei Geplänkel – u. a. war auch hier ein 2-jähriger, wieder vom ausdauernden Günter Reinartz abgelesener Ringstorch aus Wahrenholz bei Braunschweig beteiligt – begann dort ebenfalls ein Brutversuch. Die erste bekannte Brut in der Ruhraue begann damit ebenfalls jahreszeitlich deutlich später als der Landesdurchschnitt.

In der zweiten Juni-Dekade war es dann soweit: die beiden Weißstorch-Brutpaare im Kreis Unna brüteten tatsächlich jeweils zwei Küken aus, für alle Beobachter ein euphorisches Ereignis und zunächst sichtbarer Beleg für die Wirksamkeit der umgesetzten Entwicklungsmaßnahmen in den Naturschutzgebieten.

Zwei Jungvögel im Horst auf dem Feuerwehr-Schlauchturm in Heil Foto: Günter Reinartz

Zwei Jungvögel im Horst auf dem Feuerwehr-Schlauchturm in Heil Foto: Günter Reinartz

Die Euphorie hielt leider nicht lange an: mit dem Wetter verschlechterte sich auch die Stimmungslage bei der inzwischen stark angewachsenen Schar der Beobachter und Besucher. Zunächst wurde ein lebloser Jungvogel Ende Juni in Fröndenberg tot aus dem Nest geworfen (U. Raschke www.oagkreisunna.de). In der sehr kühlen Regenphase um den 08. Juli mit pausenlosen Niederschlägen wurden dann alle Hoffnungen auf erfolgreiche Bruten zunichte gemacht. Sowohl in der Lippeaue als auch in der Ruhraue sind die Jungvögel danach nicht mehr lebend beobachtet worden – es liegt nahe, die widrigen Bedingungen als eine der Ursachen zu benennen. Angeregt durch Günter Reinartz hat Carlo Kortenbruck, Sohn des Ortslandwirtes, den Kunsthorst in Heil in Abwesenheit der Altstörche mit seinem Quadrocopter am 10.07. kontrolliert und damit endgültige Gewissheit geschaffen: beide Jungvögel lagen tot im Nest.

Traurige Gewissheit – beide Jungstörche in Heil waren am 10.07.2014 bereits tot Foto: Carlo Kortenbruck

Traurige Gewissheit – beide Jungstörche in Heil waren am 10.07.2014 bereits tot Foto: Carlo Kortenbruck

Erschwerend ist für die Storchenaufzucht im Kreis Unna wohl gewesen, dass beide Storchenpaare – möglicherweise aufgrund ihrer “Jugend” – jahreszeitlich erst spät mit der Brut begonnen haben. Eingespielte Paare haben zum Zeitpunkt des Brutabbruchs bereits flügge oder fast flügge Jungvögel, die solche Schlechtwetterphasen meist besser überstehen können. Entsprechend sind in Westfalen einige frühe Brutpaare wohl gut durch die Schlechtwetterphasen gekommen. Dennoch hat es in Westfalen in dieser Zeit deutliche Verluste unter den Jungvögeln gegeben (M. Jöbges schriftl., A. Bense über nworni@yahoogroups.de). Zurückgeführt wird dies auf das extrem nass-kalte Wetter des Frühjahrs. “Landstrichartig” gingen dort in einigen Teilräumen alle Jungvögel im Horst ein.

 

Trotz der negativen Bilanz machen die beiden ersten Weißstorch-Bruten des Jahres 2014 Mut für die Zukunft: Ganz offenbar das Wetter und wohl nicht die Eignung der Standorte hat in 2014 verhindert, dass erste Weißstorch-Jungvögel im Kreis Unna ausgeflogen sind. Gespannt warten wir auf das Klappern im kommenden Jahr.

Klappern soll auch 2015 zum Handwerk gehören Foto: Gregor Zosel

Klappern soll auch 2015 zum Handwerk gehören Foto: Gregor Zosel