Im Frühjahr ist der Verlust von Amphibien im Straßenverkehr in der dicht besiedelten und vielerorts von Verkehrswegen zerschnittenen Landschaft Dortmunds in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wachsenden Problem geworden. Seit 2006 werden daher von der Stadt Dortmund in Zusammenarbeit mit der Biologischen Station Kreis Unna | Dortmund an den Standorten Kirchhörder Straße und Lanstroper Straße in Dortmund Amphibienschutzprojekte durchgeführt.
Als wichtigste Maßnahme, um die Wanderungsbewegungen der Amphibien über die viel befahrenen Straßen zu ihren Laichgewässern weitgehend zu minimieren, wurden im Landlebensraum der Amphibien neue Kleingewässer angelegt bzw. die bestehenden Gewässer optimiert (s. Abb. 1). Durch die Verbringung der an den Straßen aufgesammelten Amphibien in diese Gewässer soll eine „Zwangsablaichung“ initiiert werden, sodass die Jungtiere auf diese Gewässer geprägt werden. Diese Amphibien werden dann zur Laich-zeit künftig die Gewässer in ihrem Landlebensraum aufsuchen. Um die Folgen von Schutzmaßnahmen auf die Entwicklung der Amphi-bienpopulationen in den genannten Lebensräumen bewerten zu können, werden die Wanderungsbewegungen der Amphibien an den Straßen, die eigenständige Anwanderung an Ersatzlaichgewässer und das Ablaichverhalten der Amphibien beobachtet und festgehalten. In den Hauptwanderphasen werden die Straßen und Kleingewässer an zwei täglichen Terminen – in den frühen Morgenstunden (um ca. 7:00 Uhr) und in den Abendstunden (ab 20:00 Uhr) – begangen.
Ab 2018 wurde zusätzlich an der Brechtener Straße ein Amphibien-schutzzaun installiert um eine aussagekräftige Bewertung des Problemumfangs während der Amphibienwanderung an dieser Straße zu ermöglichen. Gleichzeitig soll festgestellt werden, ob ein fest installierter Amphibienschutzzaun geeignet ist, die Tiere zu den vorhandenen Durchlässen zu führen und ob diese Durchlässe von den Amphibien auf dem Weg zum Laichgewässer auch genutzt werden.
Die Meldungen zu weiteren Straßen, an denen Amphibien über-fahren werden, haben zudem in den vergangenen Jahren zugenom-men. Daher wurden die betroffenen Straßen zur Erfassung der Problemlagen aufgesucht und Handlungsempfehlungen entwickelt.
Im vorliegenden Kurzbericht werden die Ergebnisse des Jahres 2021 dargestellt, bewertet und Handlungsempfehlungen zum weiteren Vorgehen aufgezeigt.
In 2021 lag der Zeitraum der Amphibienwanderung an der Lanstroper und der Kirchhörder Straße, abgesehen von einigen Nachzüglern, zwischen dem 24. Februar und 01. April. Die Ergebnisse lassen an beiden Straßen zwei ausgeprägte Wanderphasen erkennen (s. beispielhaft Abb. 2).
Kirchhörder Straße
Zwischen dem Stadtwald Bittermark und dem Gartenteich des Altenwohnheims „Wohnstift Augustinum“ kam es bereits in 2019 entgegen dem Trend der Vorjahre, mit fast 1.800 registrierten Individuen zu einer stärkeren Wanderungsbewegung der Erdkröte über die Kirchhörder Straße. In 2021 wiederholte sich mit fast 1.900 Individuen der größere Andrang an Erdkröten an die Kirchhörder Straße (s. Abb. 3). Die Anzahl der erfassten Individuen an Schwanz-lurchen und Fröschen am Schutzzaun der Straße haben sich gegen-über den Daten aus 2020 nur wenig geändert.
Die Fangquoten am Ersatzlaichgewässer zeigen auf, dass sich die Anzahl der eigenständig angewanderten Erdkröten in 2021 gegen-über dem Vorjahr fast verdoppelt hat (s. Abb. 4). Während die Zahlen beim Bergmolch auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr liegen, wurden in 2021 deutlich mehr Teichmolche registriert. Auch beim Grasfrosch ist ein deutlicher Anstieg der Individuen-Zahlen auf das Niveau von 2019 festzustellen.
Regelmäßig werden auch Feuersalamander in den Eimern gesichtet, die im benachbarten Bach ausgesetzt werden. Die Feuersalamander wurden auf sichtbare Hautschäden untersucht, wobei jedoch keine Hinweise auf den Pilz „Bsal“ (Batrachochytrium salamandrivorans) gefunden wurden.
Wie bereits in den Vorjahren wurde im Bereich des aufgestellten Zaunes und über dem Gewässer Seile gespannt, die den Anflug und Zugang insbesondere für den Graureiher erschweren sollte (s. Abb. 5). Mit dieser Maßnahme konnte auch in 2021 erfolgreich ein Verlust von Amphibien an dem Gewässer verhindert werden. Verletzte oder getötete Tiere wurden wie in den Vorjahren nicht registriert.
Insgesamt sind die Ergebnisse im Hinblick auf die Amphibien, die das neu angelegte Gewässer an der Bittermarkstraße zur Laichzeit auf-suchen, nach wie vor positiv zu sehen.
Ein deutlicher Rückgang an Amphibien, die zur Laichzeit die Kirch-hörder Straße queren wollen, war in 2016 bis 2018 zu verzeichnen. Die Zunahme der erfassten Individuen in 2019 und 2021 zeigt, dass auch mittelfristig kein substantieller Rückgang der Individuenzahlen zu erwarten ist, die es erlauben die Amphibienschutzaktion an dieser Straße einzustellen.
Zur dauerhaften Sicherung des Amphibienbestandes ist ein fest installierter Schutzzaun am südlichen Rand der Kirchhörder Straße ohne Durchlässe zu prüfen. Das Ersatzgewässer ist für diese große Anzahl an Amphibien zu klein dimensioniert. Daher sind eine Erwei-terung des Ersatzlaichgewässers und die Anlage eines weiteren Ersatzlaichgewässers im Waldgebiet Bittermark dringend erfor-derlich.
Lanstroper Straße
Auf einer Ackerfläche nördlich der Lanstroper Straße wurde im Jahr 2008 ein Ersatzlaichgewässer angelegt, um einen neuen Laichplatz anzubieten, der dauerhaft die Wanderungsbewegungen der Amphibien über die Lanstroper Straße einzuschränken hilft (s. Abb. 6). Der Schutzzaun wurde in 2021 wegen des relativ niedrigen Wasserstandes nur um den östlichen Teil des Gewässers aufgestellt.
Die Auswertung der aufgenommen Daten zeigt, dass die Individuen-zahl der Erd-kröte, die die Lanstroper Straße queren wollen, mit 1.584 Individuen ein so hohes Niveau erreicht hat wie seit 2011 nicht mehr (s. Abb. 7).
Die Anzahl wandernder Grasfrösche ist in 2021, nach 382 erfassten Tieren in 2019, auf 58 Individuen eingebrochen. Bei den Schwanz-lurch-Arten haben sich die Individuenzahlen auf das niedrige Niveau des Vorjahres eingependelt.
Das Gewässer ist durch seine Flachwasserzonen als Laichgewässer für den Grasfrosch sehr attraktiv (s. Abb. 1). In 2014 wurden 786 Individuen gezählt, die eigenständig dieses Gewässer anwanderten. In 2021 wurden bei den Kontrollen längs des Zaunes um das Gewässer wie bereits in 2020 deutlich weniger Erdkröten und Grasfrösche erfasst, als in den Vorjahren. Besonders gravierend zeigt sich der Rückgang bei den Grasfröschen. Gegenüber fast 600 Individuen in 2018 wurden nun nur noch 30 Grasfrösche am Zaun registriert (s. Abb. 8). Nur ganz vereinzelt haben Grasfrösche zudem Laichballen abgesetzt.
Bei den Schwanzlurchen setzte sich die positive Entwicklung fort und es wurden ähnlich viele Individuen registriert wie in den in den beiden Vorjahren. Bei den Bergmolchen wurde mit 920 Individuen fast der Höchststand mit 1.028 Individuen in 2019 wieder erreicht.
Aktuell sind keine Maßnahmen erforderlich. Die Entwicklung ist zu beobachten. Die erfassten Individuenzahlen an der Lanstroper Straße bestimmen durch die Stärke des Rückgangs an Individuen das Jahr, ab dem auf die Aufstellung eines Zaunes längs der Straße verzichtet werden kann.
Zur dauerhaften Sicherung des Amphibienbestandes ist auch an dieser Straße die Anlage eines fest installierten Schutzzaunes am nördlichen Rand der Lanstroper Straße ohne Durchlässe zu prüfen.
Fazit
Insgesamt haben sich die Maßnahmen an beiden Standorten im Wesentlichen bewährt. Die Ergebnisse zeigen, dass die „Ersatzlaich-gewässer“ von den Amphibien sehr schnell angenommen worden sind und sich inzwischen eigenständige Populationen gebildet haben. Insofern ist das Ziel erreicht, dass in dem jeweiligen Land-lebensraum ein Laichgewässer zur Sicherung des dortigen Amphibienbestandes etabliert werden konnte.
Nicht erreicht worden ist das zweite Ziel, die Wanderungsbewegung der Erdkröten über vielbefahrene Straßen zu minimieren, daher werden aktuell fest installierte Zäune bzw. stationäre Leitein-richtungen als alternative Lösungen gefordert.
Im Moment stehen in der Diskussion an der Lanstroper und Kirchhörder Straße einseitig festinstallierte Leiteinrichtungen ohne Querungshilfe zu installieren. Damit würden die Landlebensräume zumindest in einer Richtung getrennt. Diese Trennung der Lebens-räume wäre als temporäre Maßnahme zu verstehen, denn spätestens bei einer Erneuerung der Straße ist die Installation von beidseitigen Leiteinrichtungen mit Querungstunneln zu prüfen.
Für die Einrichtung von Leiteinrichtungen müssen liegenschaftliche und infrastrukturelle (Verlauf von Leitungen und Kanälen) Belange berücksichtigt werden.
Das Monitoring ist vorerst weiter durchzuführen, um den Einfluss der Maßnahmen auf die weitere Entwicklung dokumentieren und den geeigneten Zeitpunkt zur Beendigung der jährlichen Fang- und Umsetzungsarbeiten an den zwei Standorten festsetzen zu können.
Brechtener Straße
An der Brechtener Straße, an der eine erhebliche Wanderungs-bewegung von Erdkröten aus dem NSG „Süggel“ in Richtung des NSG „Auf dem Brink“ bekannt geworden ist, wird zur Erfassung der Individuenzahlen seit 2018 ein Amphibienschutzzaun aufgestellt (s. Abb. 9). Der Zaun mit einer Länge von 200 Metern wird ohne die Eingrabung von Fangeimern so installiert, dass er an zwei Fließge-wässer-Durchlässen endet (Gullohbach und Süggelbach), sodass die Amphibien die Straße hier unterqueren konnten (s. Abb. 10).
In 2020 wurden relativ wenige überfahrene Tiere südlich und nördlich des aufgestellten Schutzzaunes registriert. Es wurde zudem beobachtet, wie zahlreiche Erdkröten, aber auch einige Grasfrösche, die Durchlässe zur Querung der Brechtener Straße in Richtung des Laichgewässers nutzten.
In 2021 wurde insbesondere an zwei Abenden (24. und 25.03.2021) das Wanderverhalten der Erdkröten über die Brechtener Straße beobachtet. An diesen beiden Tagen lag der Schwerpunkt der Amphibienwanderung in 2021. Dabei wurden die überfahrenen Tiere auf der Brechtener Straße, die Amphibien auf dem Rad- und Wanderweg „Süggelweg“ in Richtung Brechtener Straße, die Anzahl der Erdkröten hinter dem Schutzzaun zu verschiedenen Abend-stunden und die Erdkröten im Durchlass des Süggelbaches unter der Brechtener Straße erfasst (s. Abb. 11).
Insgesamt ist festzuhalten, dass der Schwerpunkt des Amphibien-wanderungsgeschehens über die Brechtener Straße im Bereich von 200 Metern vor dem nördlich liegenden Süggelbach stattfindet. Die Schutzzäune erfassen aber nur den Waldbereich bis zum Süggelweg, sodass ein wichtiger Bereich des Wanderkorridors von den Schutz-maßnahmen nicht erfasst wird. In Folge werden gerade in diesem Abschnitt der Brechtener Straße mit Abstand die meisten Tiere überfahren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Autofahrer trotz der aufgestellten Hinweisschilder nur in sehr geringer Zahl mit einer angemessenen Geschwindigkeit den Wanderkorridor der Erdkröten passieren.
Die Erdkröten, die entlang des Schutzzaunes den Süggelbach erreichen, nutzen augenscheinlich in größerer Zahl den Durchlass um das Laichgewässer im NSG „Auf dem Brink“ zu erreichen (s. Abb. 12). Insofern ist die Idee, die Durchlässe unter der Brechtener Straße als Wanderkorridore anzubieten und zu optimieren, durchaus sinnvoll.
Rückwandernde Amphibien und die Jungtiere können bisher nur an zwei Stellen die Straße in Richtung NSG „Süggel“ ohne Hindernis queren. Wichtig wäre daher an der Westseite dieser Straße die Absenkung des Bordsteines ca. alle 30 Meter. Dabei sollte jeweils nicht auch ein Teil des Fußweges abgesenkt werden. Es reicht vollkommen aus, wenn die vorhandenen Borsteine auf einer Länge von ca. einem Meter durch Schrägbordsteine ausgetauscht werden (s. Abb. 13).
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein fest installierter Schutzzaun in Kombination mit abgesengten Bordsteinen an der westlichen Straßenseite zur dauerhaften Sicherung der Amphibien-Populationen in den Schutzgebieten NSG „Süggel“ und NSG „Auf dem Brink“ beiträgt. Je nach der Länge einer solchen Leitein-richtung ist neben den Straßen-Durchlässen für den Gullohbach und den Süggelbach mindestens die Installation eines weiteren Durchlasses erforderlich.
In 2022 ist zu prüfen, ob bei einer Verlängerung des mobilen Schutz-zaunes in südwestlicher Richtung entlang des Waldes ein Großteil der Individuen erfasst werden können, oder ob dann immer noch ein sehr hoher Prozentsatz der Tiere am Zaun vorbei auf die Brechtener Straße gelangt.
Weitere Straßen mit erhöhten Amphibien-Wanderaktivitäten
Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dortmund melden immer häufiger Straßen, an denen Amphibien zur Laichwanderzeit Gefahr laufen überfahren zu werden (s. Abb. 14)
Eine Möglichkeit, um an diesen Straßen auf eine verstärkte Amphibienwanderaktivität aufmerksam zu machen, ist die zeitweilige Aufstellung von Warnschildern. Diese Schilder wurden ab 2019 an allen Straßen aufgestellt. Dazu wurde für jede Straße eine Karte mit der Darstellung der Schilder-Standorte angefertigt (s. beispielhaft Abb. 15).
Nach unseren Erfahrungen werden diese Schilder von den Verkehrs-teilnehmern häufig ignoriert oder schlicht im Schilderwald nicht wahrgenommen. Daher wurden unter den Hinweisschildern Bau-stellenwarnleuchten angebracht, die deutlich auf diese Gefahren-stelle hinweisen (s. beispielhaft Abb. 16).
An verschiedenen Straßen haben Anwohner die Aufstellung der Hinweisschilder begrüßt, zumal sie kritisierten, dass viele Verkehrs-teilnehmer sich generell nicht an die vorgeschriebenen Geschwindig-keitsbegrenzungen halten würden.
An allen Straßen konnte durch Beobachtungen der Anwohner und durch eigene Beobachtungen eine für die Situation angemessene Fahrweise der Fahrzeuge in den meisten Fällen nicht festgestellt werden.
Nach den bisherigen Erfahrungen sollte geprüft werden, ob nicht bestimmte Straßen temporär – in der Hauptwanderzeit der Amphibien – von 18:00 Uhr am Abend bis 06:00 Uhr am Morgen für den Durchgangsverkehr gesperrt werden können. In dieser Zeit sollten nur Anlieger freie Fahrt auf diesen Straßen haben (s. Abb. 17). Die Sperrung der Straßen ist nur im Zeitraum von ca. Ende Februar bis Anfang April (ca. Kalenderwochen 8 bis 14) erfor-derlich. Je nach den Witterungsverhältnissen kann sowohl der Beginn der Straßensperrungen, als auch die Dauer der Straßen-sperrungen stark variieren. Ein Zeitraum von ca. vier bis maximal sechs Wochen ist für eine temporäre Straßensperrung ausreichend.