Zur Laufkäferfauna ausgewählter Flussuferabschnitte des NSG “Lippeaue Selm”

In den Jahren 2013 und 2014 wurden von dem Entomologen Karsten Hannig aus Waltrop umfangreiche Untersuchungen zum Vorkommen verschiedener Insektengruppen an ausgewählten Lippeuferabsschnitten im Naturschutzgebiet “Lippeaue Selm” angestellt. Die Essenz dieser privaten Forschungsarbeit wurde 2015 in Band 80 der Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Münster, publiziert.

Zur Laufkäferfauna ausgewählter Flussuferabschnitte des NSG "Lippeaue Selm"

Zur Laufkäferfauna ausgewählter Flussuferabschnitte des NSG “Lippeaue Selm”

 

Zum Einsatz kamen unterschiedliche Felderfassungsmethoden (z.B. Boden- und Lichtfallen, Handaufsammlungen…) an repräsentativen Abschnitten. Zum einen wurden stukturärmere Uferpartien als Referenzflächen beprobt, und zum anderen vergleichend Abschnitte untersucht, die 2011 durch den Lippeverband naturnah umgestaltet wurden.

Ein Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Erfassung von Laufkäfern (Coleoptera, Carabidae). Allein aus dieser Insektengruppe wurden fast 10.000 Tiere an den Probestellen erfasst und 138 Arten determiniert.

Erhebliche Unterschiede zeigt das Arteninventar von renaturierten zu den strukturärmeren Uferabschnitten auf. Die höhere standörtliche Diversität ersterer schafft Einnischungsmöglichkeiten für 126 ! Arten. Die älteren, zwar teilweise in der Vergangenheit ebenfalls entfesselten Referenzuferabschnitte, weisen eine deutlich geringe standörtliche Vielfalt auf. Demzufolge kommen dort “nur” 92 Carabidenarten vor. Ausgewiesene Spezialisten von Fließgewässern, die eben auf die standörtliche Dynamik einer Auenlandschaft angewiesen sind, haben ihren deutlichen Verbreitungsschwerpunkt an den jüngst renaturierten Bereichen. Diese werden zwar sukzessive wieder von Vegetation eingenommen werden, weisen aber immer noch offene Rohbodenbereiche, Schlamm- und Sandbänke etc. auf, eben solche Strukturelemente, die an Fließgewässern in der Kulturlandschaft durch wasserbauliche Regulierungsmaßnahmen nahezu vollständig vernichtet wurden.

Der hohe ökologische Wert solcher renaturierter Uferabschnitte spiegelt sich auch im Vorkommen gefährdeter Arten wider: allein 21 Arten werden in der Roten Liste der gefährdeten Laufkäfer NRW´s aufgeführt, davon 17 Arten in den renaturierten Bereichen und sieben an Probestellen der Referenzstrecke. Unter anderem konnte ein Erstnachweis von Bembidion ruficolle für Westfalen geführt werden.

Gleichwohl zeigt sich, daß bei fehlender Fließgewässerdynamik die wertgebenden offenen Strukturen zunehmend von Vegetation eingenommen werden und die standörtliche Heterogenität wieder verlustig gehen. Besonders für die an Ufer assoziierten Carabiden – und dieses sind nun einmal oft die hoch spezialisierten und gefährdeten – gehen damit wieder sukzessive wichtige Habitatstrukturen verlustig. Stellvertretend für die gesamte artenreiche Zönose indizieren dies die untersuchten Laufkäfer.

Nachhaltig werden sich dort wie anderswo an unseren Fließgewässern nur durch eine grundlegende Dynamisierung der gesamten Flußlandschaft wieder naturnahe Habitatstrukturen mit der daran angepassten Flora und Fauna schaffen lassen.

Quelle: Zur Laufkäferfauna (Col. Carabidae) ausgewählter Flussuferabschnitte des Naturschutzgebietes “Lippeaue Selm”(Nordrhein-Westfalen, Kreis Unna), Abhandlungen aus dem westfälischen Museum für Naturkunde, Bd. 80: 23-80, 2015

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